Mittwoch, 8. Dezember 2010

2. Tag: Treffen mit der FNRP und KünstlerInnen


Vielfältiger Widerstand – Die FNRP in Honduras

Auf Einladung nehmen wir am Dienstag in Tegucigalpa an der wöchentlichen Versammlung der Frente Nacional de Resistencia Popular (FNRP) im Gewerkschaftshaus STIBYS teil. Die ca. 50 anwesenden AktivistInnen der FNRP aus Tegucigalpa heißen uns herzlich willkommen und geben uns Einblick in ihre Einschätzungen, Perspektiven und Struktur.

Das Gewerkschaftshaus STIBYS in Tegucigalpa

Die Widerstandsbewegung organisierte sich direkt nach dem Putsch und vereint inzwischen über 60 verschiedene Bewegungen und Organisationen: Angefangen von Gewerkschaften, Bäuerinnen- und Bauernorganisationen, über Indigenen, Garífunas, LehrerInnen, bis hin zu  Feministinnen und der Lesben- und Schwulenbewegung repräsentieren sie damit die große Mehrheit der honduranischen Bevölkerung.  

Im Zentrum der Kampagnenarbeit der FNRP steht die Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, die einen Bruch mit den oligarchischen Strukturen in Honduras bedeuten würde. Eine Befragung der Bevölkerung über die Einberufung einer solchen Instanz wurde am 28. Juni 2009 mit dem Putsch durch die Eliten des Landes und die Entführung des Präsidenten verhindert. Eine Verfassung, die zum Ziel hat, ein „neues und alternatives Lebensmodell” in Honduras zu entwerfen, erklärt Jesus Antonio Chavez, Aktivist der FNRP.

Angesichts der breiten Unterstützung der Bevölkerung für eine solche Initiative wirft die FNRP die Frage auf, warum dieses dringende Anliegen von der Europäischern Union hartnäckig ignoriert wird und die Arbeit der Resistencia keine Rolle in der Berichterstattung über Honduras spielt. „Was wir wollen sind Frieden, Gerechtigkeit und dass die Wahrheit ans Licht kommt“, fasst die Ex-Präsidentin des zentralamerikanischen Parlaments, Gloria Oqueli, die Agenda der FNRP zusammen: Frieden, im Kontext eines Krieges gegen die Bevölkerung, Gerechtigkeit in einem Land, in dem 50 Prozent der Menschen in extremer Armut leben und eine Version der Wahrheit, die das unvorstellbare Ausmaß der Repression in Honduras klar benennt.

Gloria Oqueli,  Ex-Präsidentin des zentralamerikanischen Parlaments
Doch die Bemühungen der Putschführung, sich als demokratische Regierung aller HonduranerInnen darzustellen, ungeachtet des Terrors und der Missachtung sämtlicher demokratischer Grundsätze, werden von der EU aktiv unterstützt. So wurde der De-facto-Präsident Porfirio Lobo Sosa zum EU-Zentralamerika-Gipfel in Madrid eingeladen, auf dem ein Assoziierungsabkommen mit dem Land vereinbart wurde. Dieses könnte Honduras nach der Ratifizierung für weitere EU-Importe öffnen und setzt gleichzeitig dessen Exportorientierung, basierend auf Monokulturen und Privatisierung staatlichen Eigentums, fort.

Angesichts dieser wirtschaftlichen Interessen wird von den Verantwortlichen auf beiden Seiten verschwiegen, dass im Zusammenhang mit dem Putsch seit dem 28. Juni 2009 mehr als 200 Personen umgebracht wurden, 22 alleine in diesem Jahr. „Die EU macht sich damit zur Komplizin der Barbarei in Honduras“, stellt die FNRP mit Nachdruck fest. Eine Barbarei, die nicht nur in der Strategie der psychologischen Kriegsführung gegen die oppositionelle Bevölkerung mittels Entführungen, Ermordungen und Folterung besteht, sondern auch in einer Fortschreibung des Zustandes der absoluten Armut. Ein Zustand, dessen Veränderung durch die von der Zelaya-Regierung getroffenen Maßnahmen wie der Verdreifachung des gesetzlichen Mindestlohnes vor dem Umsturz erstmals in greifbare Nähe gerückt war.

Die wöchentliche Versammlung der FNRP in Tegucigalpa


Angesichts der Straflosigkeit, die gegenüber den MörderInnen der AktivstInnen in den sozialen Bewegungen herrscht (bisher wurde kein einziger Fall aufgeklärt) kämpft die FNRP dafür, dass der Fall Honduras vor den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag kommt. Als einen ersten Schritt dazu müsste in Europa die Wahrheit über die Zustände in Honduras ins öffentliche Bewusstsein gelangen. Die FNRP ruft dazu auf, im Bekanntenkreis, im eigenen Umfeld, im Rahmen der Möglichkeiten, dazu beizutragen.



Jede soziale Revolution braucht eine kulturelle Revolution

Am Dienstagabend war ein Treffen mit den „Artistas en Resistencia“ (KünstlerInnen im Widerstand) angesagt.  In einem Kunstcafé im Zentrum Tegucigalpas organisieren sie ihre wöchentlichen Plena seit dem Putsch und besprechen ihre geplanten Aktivitäten, analysieren die politische Situation und ihre Standpunkte. Auf der Tagesordnung standen am Dienstag die Organisation eines Boykotts gegen Produkte von Carlos Roberto Flores Facussé, dem Großgrundbesitzer, welcher in Bajo Aguán Hauptursache des schwelenden Agrarkonflikts ist. Auch ein Gegenkulturkalender und ein traditionelles künstlerisches Fest am Land sind geplant.  

Alternative KünstlerInnen in Honduras gibt es schon länger, kulturelle Freiräume waren jedoch kaum vorhanden. Erst nach dem Putsch kam die Bewegung dieser einzelnen KünstlerInnen in Schwung und inzwischen sind über 60 SchriftstellerInnen, MalerInnen, DichterInnen und MusikerInnen in der Organisation der „Artistas en Resistencia“ vereint. Mit dem Motto „Vor jeder sozialen Revolution braucht es eine kulturelle Revolution“ stellen sie einen wichtigen Teil der FNRP dar. Durch Graffitis, Widerstandskonzerte, Layouten von Flyern, Transparenten, Internetseite etc. treten sie dem Stillschweigen der Repression und der sogenannten Normalisierung der aktuellen Regierung entgegen. 

Als horizontal organisierte Bewegung kritisieren die „Artistas“ jedoch die vertikale Struktur der FNRP sowie die Tendenzen, bei den nächsten Wahlen als Partei antreten zu wollen.

Auch während der Regierung Zelayas waren nicht mehr als 0,03 Prozent des Staatsbudgets dem Bereich Kultur, Kunst und Sport gewidmet. 70 Prozent davon wiederum nahm allein der Fußballsport ein. Mit der illegitimen Regierung Lobos sank sogar diese Zahl, während der Budgetanteil für das Militär stark anstieg.