Samstag, 13. Juli 2013

Offener Brief an die Firma Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Staudammprojekt Agua Zarca in Honduras

Offener Brief an die Firma Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG aufgrund der Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Staudammprojekt Agua Zarca in Honduras





                                                                                                          

Sehr geehrter Herr Dr. Lienhard,
sehr geehrter Herr Dr. Münch,


hiermit teilen wir Ihnen als Vorsitzenden der Geschäftsführung der Voith GmbH bzw. der Voith Hydro Holding GmbH & Co. KG unsere große Besorgnis über die jüngsten Vorfälle und Menschenrechtsverletzungen in Zusammenhang mit dem Staudammprojekt Agua Zarca im Department Intibucá, Honduras mit. Die Firma Voith Hydro GmbH, ein Gemeinschaftsunternehmen von Voith und Siemens, baut und liefert nach unserer Kenntnis für besagtes Projekt drei Turbinen mit jeweils 7,52 MW.

Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass das Wasserkraftwerk Agua Zarca gegen den Willen der Mehrheit der lokalen indigenen Bevölkerung gebaut wird. Die umliegenden Gemeinden sind die rechtmäßigen Eigentümer der betroffenen Landflächen. Laut der Konvention 169 zu indigenen Rechten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die Honduras 1995 ratifizierte, muss die betroffene indigene Bevölkerung vor Beginn derartiger Projekte informiert werden und diesen zustimmen. Die Bewohner_innen der betroffenen Region Río Blanco haben sich jedoch in mehreren indigenen und kommunalen Versammlungen (unter anderem am 10. Okt. 2011) gegen das Staudammprojekt Agua Zarca ausgesprochen.



Trotz der Ablehnung durch die lokale Bevölkerung erteilte der Bürgermeister von Intibucá, Martiniano Dominguez Meza, die Erlaubnis zum Bau des Projektes. Aufgrund der Landrechte der indigenen Dörfer und der Nichteinhaltung der indigenen Rechte ist diese Bewilligung jedoch rechtswidrig. Gegen das Projekt Agua Zarca wurden mehrere Anzeigen erstattet, unter anderem bei der honduranischen Sonderstaatsanwaltschaft für Ethnien. Zudem wurde der Fall laut der indigenen Organisation COPINH beim UN-Sonderbeauftragten für indigene Völker angezeigt. Eine Umweltverträglichkeitsstudie des Projektes, die von der staatlichen Umweltbehörde SERNA durchgeführt wurde, ist trotz mehrerer Anfragen nicht öffentlich gemacht worden, was ebenfalls gegen honduranisches Recht verstößt. Ungeachtet der Ablehnung des Projektes durch die lokale Bevölkerung und trotz der laufenden Anzeigen hat Ihr Vertragspartner, das honduranische Unternehmen Desarrollos Energéticos S.A. de C.V. (DESA), mit dem Bau des Staudammes begonnen. An dem Bau ist ebenfalls das chinesische Unternehmen SINOHYDRO beteiligt, welches vor kurzem in Ecuador aufgrund von Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Mitarbeiter_innen verurteilt wurde.¹

Aufgrund des unrechtmäßigen Baubeginns, der damit verbundenen Umweltzerstörung und der fehlenden Bereitschaft des honduranischen Staates, für den Schutz und die Rechte der indigenen Bevölkerung einzutreten und den eingegangen Anzeigen nachzugehen, besetzen Bewohner_innen mehrerer Dörfer der Region seit dem 1. April 2013 die Zufahrtsstraße zu der Baustelle des Projektes. Seit Beginn dieser friedlichen Protestaktion gehen die Unternehmen DESA und SINOHYDRO eskalierend und aggressiv gegen den legitimen und friedlichen Protest vor. So berichten Bewohner_innen der Region von Einschüchterungen, Drohungen und körperlichen Aggressionen durch Mitarbeiter der beteiligten Unternehmen. Durch Bestechung und Korruption versuchen die Unternehmen überdies die Bevölkerung zu spalten und einen gewalttätigen Konflikt innerhalb der Gemeinden zu erzeugen. Besonders besorgniserregend ist unter anderem das Abfeuern von Schusswaffen auf dem Gelände der Unternehmen, die Anwesenheit von zivilen bewaffneten Personen im Auftrag der Unternehmen in den umliegenden Gemeinden und die Verfolgung von Dorfbewohner_innen und Menschenrechtsverteidiger_innen durch Mitarbeiter von DESA und SINOHYDRO. Am 29. Juni griffen vier Personen den Dorfbewohner Roque Domínguez, Aktivist des COPINH und Gegner des Projektes Agua Zarca, mit Macheten an und verletzten diesen schwer.

Die honduranische Regierung antwortet auf den Protest ebenfalls mit Eskalation und Repression. So wurde die friedliche Straßenblockade bereits mehrfach gewaltsam von Polizei- und Militäreinheiten geräumt, die gesamte Region wurde stark militarisiert und der Protest wird kriminalisiert. Am 24. Mai 2013 nahmen Soldaten und Polizisten die indigenen Menschenrechtsverteidiger_innen Bertha Cáceres Flores und Tomás Gómez Membreño fest. Gegen Cáceres, die aufgrund ihres Engagements für Menschenrechte im vergangenen Jahr den Shalompreis der Katholischen Universität Eichstätt erhalten hat, wurde auf der Grundlage von falschen Anschuldigungen ein Gerichtsverfahren eingeleitet, welches am 13. Juni aufgrund mangelnder Beweise vorerst wieder eingestellt wurde. Die Beteiligung der Firmen DESA und SINOHYDRO an diesem Versuch der Kriminalisierung zeigt sich u. a. daran, dass Polizeikräfte bei der Verhaftung von Cáceres und Gómez in Fahrzeugen der Unternehmen vorfuhren. Die aktuelle Situation in der Region Río Blanco, das eskalierende Verhalten Ihres Vertragspartners DESA und die Rolle der honduranischen Sicherheitskräfte wird unter anderem ausführlich in dem vor wenigen Tagen erschienenen Bericht der US-Organisation „La Voz de los de Abajo“ dokumentiert.²

Wie aus zahlreichen Berichten nationaler und internationaler Menschenrechtsorganisationen hervorgeht, ist die Menschenrechtslage in Honduras seit mehreren Jahren äußerst besorgniserregend. Menschenrechtsverletzungen werden sowohl vom honduranischen Staat als auch von privaten Sicherheitskräften in Honduras tätiger Unternehmen begangen. Im Zusammenhang mit Großprojekten, wie z.B. Wasserkraftwerken, werden vor allem die Rechte der indigenen Bevölkerung kontinuierlich verletzt. Darauf weist auch der jüngste Report der Internationalen Arbeitsorganisation ILO (Report of the Committee of Experts on the Application of Conventions and Recommendations) hin.³

Auch wenn die Firma Voith Hydro GmbH bei dem Projekt Agua Zarca „nur“ Zulieferer ist, wird sie dadurch nicht von ihrer ethischen Verantwortung entbunden. Im Gegenteil: Ihr Unternehmen trägt ein hohes Maß an Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft im In- und Ausland. Corporate Social Responsibility beschreibt das gesellschaftliche Engagement über gesetzliche Regulierung hinaus! Das Projekt Agua Zarca zerstört fruchtbares und seit Jahrhunderten den indigenen Gemeinden angestammtes Land, das der lokalen Bevölkerung und deren nachfolgenden Generationen als Lebensgrundlage dient. Ihre eigenen ethischen Grundsätze werden durch die Beteiligung an einem Projekt, welches mit Gewalt gegen den Willen der lokalen Bevölkerung durchgesetzt wird und auf der Grundlage von Rechtsbrüchen und Menschenrechtsverletzungen basiert, ad absurdum geführt.

Aufgrund der oben beschriebenen Vorfälle fordern wir die Firma Voith Hydro GmbH auf, sich aus dem Projekt Agua Zarca zurückzuziehen und den Vertrag mit ihrem Partner DESA, welcher klar in Menschenrechtsverletzungen verwickelt ist, zu annullieren.

Wir bitten die Firma Voith Hydro GmbH um eine öffentliche Stellungnahme über das weitere Vorgehen in Bezug auf das Projekt Agua Zarca. Welche Kenntnisse besitzt das Unternehmen über das Vorgehen seiner Vertragspartner in Honduras? Welche Schritte leiten Sie ein, um bei zukünftigen Projekten Menschenrechtsverletzungen durch Ihre Vertragspartner zu unterbinden und die Rechte der lokalen Bevölkerung zu garantieren?

Kopien dieses Briefes gehen auch an Abgeordnete des deutschen Bundestages und Pressevertreter_innen.

Mit freundlichen Grüßen,
Hondurasdelegation, Deutschland und Österreich
Menschenrechtskette Honduras – CADEHO, Berlin
Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit, München
Rettet den Regenwald e.V., Hamburg
RiverWatch
Biofuelwatch, GB
Zapapres e.V. Mexiko-Nachrichten-Import, Hamburg
Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden, Eichstätt
Informationsgruppe Lateinamerika – IGLA, Wien
Guatemala Solidarität Österreich
Via Campesina Österreich
Attac Österreich
Frauensolidarität Österreich


¹http://www.eldiario.ec/noticias-manabi-ecuador/251324-sinohydro-tendra-sancion/
²http://www.defensoresenlinea.com/cms/index.php?option=com_content&view=article&id=2677:declaracionde-observadores-internacionales-de-derechos-humanos-ante-crisis-en-rio-blanco&catid=54:den&Itemid=171
³http://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---ed_norm/---relconf/documents/meetingdocument/wcms_205472.pdf