Samstag, 16. November 2013

Öffentliche Klarstellung zur Entführung von zwei MenschenrechtsbeobachterInnen von PROAH in der Gemeinde La Nueva Esperanza

übersetzung von tortilladigital
Text auf spanisch von PROAH

Wir zeigen uns höchst besorgt über die Aussagen von staatlichen VertreterInnen und weiteren Gästen der Fernsehsendung „Frente a Frente“am 5. und 12 November 2013 hinsichtlich der Entführung zweier MenschenrechtsbeobachterInnen des „Proyecto de Acompañamiento Internacional en Honduras“ (PROAH) am 25. Juli 2013.

PROAH begann seine Arbeit in Honduras im September 2010 angesichts der Bedrohungssituation gegenüber MenschenrechtsverteidigerInnen nach dem Staatsstreich im Juni 2009. PROAH bietet seitdem internationale Begleitung für einzelne MenschenrechtsverteidigerInnen, soziale Bewegungen und Menschenrechts­organisationen, welche aufgrund ihrer Arbeit für die individuellen oder kollektiven Menschenrechte bedroht und verfolgt werden. Es handelt sich um ein Projekt der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation  Friendship Office of the Americas.



Im Rahmen ihrer Arbeit mit PROAH besuchten Orlane Vidal (FR) und Daniel Langmeier (CH) am 25. Juli 2013 die Gemeinde La Nueva Esperanza im Bezirk Tela. Die dortige Bevölkerung ist seit über einem Jahr von Drohungen und Verfolgung betroffen, sowohl von der Polizei wie von Angestellten der Bergbaufirma Minerales Victoria, da sie sich auf friedliche Weise gegen ein Minenprojekt wehren, welches der Staat ohne ihr Einverständnis vergeben hat. An diesem Tag wurden die beiden MenschenrechtsbeobachterInnen entführt und befanden sich zweieinhalb Stunden lang in der Gewalt der schwer bewaffneten Angestellten der Bergbaufirma, die offene Drohungen gegen sie aussprachen. Dieser besorgniserregende Vorfall wurde von den Betroffenen öffentlich gemacht[1] und zur Anzeige gebracht. Amnesty International leitete eine Eilaktion ein, die detailliert über den Vorfall berichtete.[2]
Am 5. November wurde diese Entführung Teil einer öffentlichen Debatte, als der Moderator der Sendung „Frente a Frente“ sich auf einen Vortrag von Bertha Oliva (COFADEH) und Victor Fernández (MADJ) vor Abgeordneten des amerikanischen Kongresses berief, wo die Entführung zur Sprache gebracht wurde. Der Moderator und seine Gäste insistierten nie etwas davon gehört zu haben und beschuldigten Bertha Oliva unbegründete Anklagen zu machen. Die Organisation Human Rights Watch ermahnte die honduranische Regierung „öffentlich diese Kritiken zurückzuweisen“ und sie denunzierten „rufschädigende Taktiken, die AktivistInnen in Gefahr bringen.“[3]

Am 12. November wurde der Organisation MADJ, die die Bevölkerung von La Nueva Esperanza unterstützt, einen Platz in derselben Sendung gewährt, um auf die Anklagen der vorherigen Sendung zu reagieren und die Situation in der Gemeinde sowie die Umstände der Entführung darzulegen. Neben drei Mitgliedern von MADJ waren auch zwei Repräsentantinnen des Staates anwesend.
Während bewiesen wurde, dass die Entführung wirklich stattfand, versuchte der Moderator sich damit herauszureden, dass er gedacht hatte, es handele sich um WahlbeobachterInnen und nicht um  MenschenrechtsbeobaterInnen;  anstatt sich bei Bertha Oliva für die falschen Anschuldigungen zu entschuldigen.

Besorgniserregend sind in diesem Zusammenhang auch die Aussagen von Marcela Castañeda,der Stellvertretenden Staatssekretärin des Ministeriums für Sicherheit, die sich auf Polizeireporte beruft, die ein falsches Bild der Tatsachen präsentierten. Sie sagte öffentlich aus, dass die MenschenrechtsbeobachterInnen von PROAH vor der Entführung „ohne Erlaubnis“ auf Privatgelände eindrangen (vermutlich der Bergbaufirma), um dort Fotos zu machen. Laut  Castañeda  seien sie daraufhin mit einem Auto zum Polizeiposten in  in Nueva Florida gebracht wurden, von wo aus die Polizei eine sichere Reise für sie nach Tegucigalpa organisierte. Wir möchten uns von diesen falschen und die Schwere der Tat mindernden Aussagen distanzieren. Marcela Castañeda wie auch Martha Sabillón, Stellvertretende Staatssekretärin des Ministeriums für Justiz und Menschenrechte, gaben gleichzeitig an, dass es zurzeit noch an verifizierten Untersuchungen zur Tat fehle. Wir möchten Folgendes klarstellen:
  • Der Staatsanwalt von La Ceiba hat die Tat bereits untersucht und einen Haftbefehl erlassen gegen einen der Haupttäter der Entführung und der Bedrohungen gegen die Bevölkerung in La Nueva Esperanza. Leider wurde diesem Haftbefehl bis heute nicht Folge geleistet.
  • Es waren die Entführer, welche ohne Erlaubnis auf Privatbesitz eindrangen, nicht die MenschenrechtsbeobaterInnen. Am 25. Juli 2013 begleiten die zwei Mitglieder von PROAH die Familia von Concepción Gutiérrez, da sie seit längerem von den Angestellten von Minerales Victoria bedroht wurden, weil sie ihr Land nicht verkaufen wollen. Sieben schwer bewaffnete Wachmänner kamen zum Grundstück der Familie, ohne deren Bewilligung und bedrohten die MenschenrechtsbeobachterInnen mit Gewehren. Sie wurden begleitet von etwa 25-30 Männern mit Macheten, die alle von der Bergbaufirma angestellt wurden. Die Bedrohung war so schwerwiegend, dass die Familie noch am selben Tag die Gemeinde verlassen musste.
  • Die bewaffneten Männer zwangen die MenschenrechtsbeobachterInnen in ein Pick-Up ohne Nummernschildern zu steigen und fuhren sie in die Gemeinde Nueva Florida.
  • Während der Tat drohte einer der Entführer, dass die MenschenrechtsbeobachterInnen „im Wald verloren gingen, falls sie zurückkehren würden“ und ein anderer meinte, dass die Gemeinde „Repressalien erleiden würde“, falls die MenschenrechtsbeobachterInnen von der Tat berichteten.
  • Nach zweieinhalb Stunden in Gewalt der Männer wurden die MenschenrechtsbeobachterInnen in der Gemeinde Nueva Florida um 11.30 Uhr freigelassen. Danach mussten sie über eine Stunden darauf warten, dass eine Polizeipatrouille sie nach Tela fuhr; dies dank den Bemühungen von COFADEH und weiteren nationalen MenschenrechtsverteidigerInnen.
  • Während die Bewaffneten unerlaubt auf das Privatgelände eindrangen und auch während der Entführung antwortete die lokale Polizei nicht auf Telefonnotrufe der lokalen Bevölkerung. Dies obwohl die beiden MenschenrechtsbeobachterInnen sich am Tag zuvor beim Polizeiposten angemeldet und über ihre Arbeit berichtet hatten.
Wir erkennen die grundsätzliche Unterstützung für MenschenrechtsverteidigerInnen seitens Martha Sabillón an. Trotzdem nehmen wir mit grosser Sorge die oben dargestellten Versuche, die Arbeit von nationalen und internationalen MenschenrechtsverteidigerInnen zu delegitimieren, zur Kenntnis.

Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden von staatlicher Seite keinerlei Massnahmen unternommen, um die Einschüchterung und Verfolgung der Gemeinde La Nueva Esperanza zu beenden, noch wurde der gegen einen der Entführer ausgestellte Haftbefehl vollzogen. Bewaffnete  terrorisieren noch immer täglich die Bevölkerung von Nueva Esperanza.

Für mehr Informationen auf Spanisch: https://proah.wordpress.com/ und Englisch: http://hondurasaccompanimentproject.wordpress.com/